Was sind austrocknungstolerante Gefäßpflanzen?
Der Begriff „DT-Pflanzen“ bezieht sich hier auf Gefäßpflanzen, die in der Lage sind, die Austrocknung ihres vegetativen Gewebes zu tolerieren, oder genauer gesagt, in einen Ruhezustand zu versiegen und nach der Rehydratation ihre normale Zellfunktion wieder aufzunehmen. Bei diesem Prozess verlieren sie bis zu 95 % ihres relativen Wassergehalts und erreichen Wasserpotenziale von unter −100 MPa, wobei sie kaum oder gar keine Biomasse verlieren. Obwohl dies eine seltene Reaktion unter Gefäßpflanzen ist, erstreckt sich die Austrocknungstoleranz über verschiedene Kladen in der Phylogenie der Gefäßpflanzen und ist das Ergebnis mehrerer unabhängiger evolutionärer Ereignisse. DT-Pflanzen sind besonders vielfältig in Regionen wie Südostbrasilien, Ost-Südafrika und Madagaskar, obwohl sie nicht in allen Vegetationstypen häufig vorkommen. Ihre bemerkenswerte Strategie verleiht DT-Pflanzen die Fähigkeit, in Umgebungen zu wachsen, in denen Wasserknappheit häufig oder so intensiv auftritt, dass sie bei den meisten Gefäßpflanzen irreversible Schäden verursacht, wie z.B. Felsvorsprünge und Baumkronen.
Warum die Forschung an austrocknungstoleranten Gefäßpflanzen?
Die Fähigkeit von Organismen, Austrocknung zu tolerieren, fasziniert Wissenschaftler:innen seit langem. Im Jahr 1702 drückte Anthony von Leeuwenhoek in einem Brief seine Überraschung aus, als er lebende Organismen (Rädertierchen) in einem trockenen Sediment beschrieb, welches er wieder befeuchtet hatte. Doch trotz dieser frühen Entdeckung dauerte es über 200 Jahre, bis die Austrocknungstoleranz bei Gefäßpflanzen diskutiert wurde. Die ersten entsprechenden Studien an vegetativem Gewebe von Gefäßpflanzen stammen aus dem Jahr 1914 für Farne und aus dem Jahr 1921 für Angiospermen. Heute haben wir ein tieferes Verständnis der verschiedenen Mechanismen, die es DT-Pflanzen ermöglichen, Austrocknung zu tolerieren, aber unser Wissen ist nach wie vor deutlich auf bestimmte Taxa und geografische Regionen beschränkt. Es ist äußerst wichtig, diese Einschränkungen zu verringern und die derzeitigen Wissenslücken zu schließen. Dies ist besonders von Bedeutung, wenn man bedenkt, dass die Forschung zu DT-Pflanzen ein immenses Potenzial für Bereiche wie Landwirtschaft und Biotechnologie birgt, z.B. durch Erkenntnisse zur Entwicklung dürreresistenter Nutzpflanzen und damit zur Gewährleistung der Ernährungssicherheit unter den Bedingungen des Klimawandels, oder aber auch zur Verbesserung der Stabilisierung von Impfstoffen.
Das Projekt
Das DT-Pflanzen-Netzwerk ist eine globale Initiative, die sich folgenden Zielen verschrieben hat: (1) Förderung einer kooperativen und interdisziplinären Gemeinschaft, die Forschende und andere wesentliche Interessengruppen miteinander verbindet; (2) Erleichterung des Informationsaustauschs über bekannte Arten und deren Verbreitungsmuster über geografische und ökologische Gradienten hinweg; und (3) Unterstützung bei der Identifizierung von Wissenslücken in der Erforschung und Erhaltung von DT-Pflanzen.
Die Daten, auf denen diese Ressource basiert, wurden in einem mehrstufigen Prozess zusammengestellt. Zunächst haben wir eine globale Artenliste von DT-Pflanzen erstellt. Dazu haben wir eine umfassende Literaturrecherche (einschließlich grauer Literatur) durchgeführt, um alle Studien zu identifizieren, die DT-Pflanzenarten gemäß unseren Definitionen der Austrocknungstoleranz zitieren. Diese Artenliste wurde anhand der taxonomischen Grundlage der World Checklist of Vascular Plants (WCVP; weitere Einzelheiten siehe Govaerts et al. 2021) vereinheitlicht. Da es nicht unsere Absicht ist, uns an laufenden taxonomischen Debatten zu beteiligen, sondern den Informationsaustausch über bekannte Arten zu erleichtern, haben wir uns ebenfalls bemüht, häufig verwendete Synonyme aus der Literatur aufzunehmen. Anschließend haben wir für jede DT-Pflanze in unserer resultierenden Artenliste ihre Verbreitungsmuster über geografische und ökologische Gradienten hinweg identifiziert. Dazu haben wir alle bekannten Vorkommensaufzeichnungen für jede der Arten aus globalen Datenbanken wie der Global Biodiversity Information Facility (GBIF) einbezogen. Die gesammelten Rohdaten wurden einer Bereinigungsroutine unterzogen, um doppelte, fehlerhafte (z.B. Datensätze aus Ozeanen, weitere Details siehe Zizka et al. 2019) und unsichere Datensätze (z.B. Datensätze, die Orten zugeordnet wurden, an denen Arten laut Plants of the World Online – POWO nicht natürlich vorkommen) zu entfernen. Obwohl wir Citizen Science schätzen, wurden Datensätze aus diesen Initiativen nicht in unsere Datenbank aufgenommen. Die resultierenden Vorkommensdaten wurden verwendet, um Hypothesen zur Artenverbreitung nach zwei sich ergänzenden Modellierungstechniken zu erstellen: Maxent und Inverse Distance Weighting (IDW; weitere Details siehe Bondi et al. 2025). Wir haben die resultierenden Vorkommensdaten ebenfalls verwendet, um mit Hilfe globaler Datenbanken wie WorldClim, CHELSA und WoSIS Informationen über die Artenverteilung über Umweltgradienten hinweg zu erhalten. Des Weiteren haben wir versucht, Wissenslücken in der Erforschung und Erhaltung von DT-Pflanzen auf drei verschiedene Arten zu identifizieren: (1) Ermittlung der Literaturverzerrung zugunsten bestimmter Taxa, (2) Bewertung der Diskrepanz zwischen der Erfassung von Artendaten und ihrem erwarteten Vorkommen im World Geographical Scheme for Recording Plant Distributions (WGSRPD) gemäß POWO, und (3) Bewertung des Mangels an Naturschutzbewertungen in globalen (z. B. IUCN) und lokalen Initiativen (CNCFlora).
Vielfalt und Anpassungen von austrocknungstoleranten Gefäßpflanzen
Austrocknungstoleranz ist bei Gefäßpflanzen selten, hat sich jedoch innerhalb der Tracheophyten-Phylogenie mehrfach neu entwickelt. Beispielsweise finden wir austrocknungstolerante Gefäßpflanzen bei Farnverwandten (wie Selaginellaceae), Farnen (wie Hymenophyllaceae, Pteridaceae und Polypodiaceae), Monokotyledonen (wie Cyperaceae, Poaceae und Velloziaceae) und Eudikotyledonen (wie Gesneriaceae und Linderniaceae). Sie kommen weltweit vor, wobei ihre Vielfalt in den Tropen zunimmt. Austrocknungstolerante Gefäßpflanzen reagieren mit wichtigen Mechanismen, um ihre Zellen vor irreversiblen Schäden zu schützen und durch Trockenheit verursachte Schäden zu reparieren. Diese Reaktionen reichen von morphologischen (wie Xylemstrukturen, die es den Blättern ermöglichen, sich bei Austrocknung zusammenzufalten oder zu schrumpfen) bis hin zu metabolomischen (wie Proteine oder Zucker, die angesammelt werden, um die Zellen bei geringem Wassergehalt zu stabilisieren). Die Bedeutung solcher Merkmale (und ihrer möglichen Wechselwirkungen) für die Erklärung ökologischer Muster muss noch besser verstanden werden.
